Ich scrollte durch TikTok und sah eine Anzeige, die mich sofort die Stirn runzeln ließ. Ein sogenanntes „Reevo Hubless E-Bike“ für etwa 130 Euro, verkauft von… Lidl? Spoiler-Alarm: Das ist gefälscht. kompletter Bullshit.
Das Lidl-Logo als Köder
Die Anzeige sah ziemlich professionell aus. Lidls Logo war sauber drauf, das Layout schien authentisch, und der Preis… nun ja, der war so lächerlich niedrig, dass bei dir die Alarmglocken läuten sollten. Aber das ist natürlich genau die Absicht.
Als ich auf die Website weitergeklickt habe, stellte sich heraus (wie erwartet), dass es überhaupt keine Lidl-Seite war. Die URL hatte nichts mit Lidl zu tun, aber sie hatten einfach das Markenzeichen gestohlen, um glaubwürdig zu erscheinen. Klassischer Betrügertrick also.
Moment mal – was ist dieses Reevo eigentlich?
Hier wird die Geschichte noch verrückter. Dieses Reevo Hubless E-Bike ist nämlich ein echtes Produkt. Oder besser gesagt: war ein echtes Produkt. Ich schrieb bereits früher darüber auf E-Bikefans.com, als das Projekt noch lief.
2020 startete ein Unternehmen namens Beno (oder Reevo, die Namensgebung war bereits vage) eine Crowdfunding-Kampagne auf IndieGoGo. Der Pitch? Ein futuristisches E-Bike mit speichenlosen Rädern („hubless“), Fingerabdruck-Entsperrung, GPS-Tracking, eingebauter Beleuchtung inklusive Blinkern und Stauraum in den Rädern.
Es sah spektakulär aus. So spektakulär, dass sie satte 6,7 Millionen Dollar von fast 2.800 Personen sammelten.

Und dann ging es schief. Richtig schief.
Von diesen fast 2.800 Bestellungen wurden am Ende nur etwa 150 bis 188 Fahrräder geliefert – die Zahlen variieren je nach Quelle. Und die glücklichen (oder besser gesagt: unglücklichen) Menschen, die tatsächlich ein Fahrrad bekommen haben? Die bereuen es bitter.
Das schlechteste Fahrraddesign der Welt
YouTuber Seth Alvo von Berm Peak konnte über eBay ein Exemplar ergattern und hat eine urkomische (aber auch schmerzhafte) Bewertung gemacht. Sein Fazit? Das ist „das schlechteste Fahrrad der Welt“.
Hier eine Auswahl der Probleme:
Die Räder sind eine Katastrophe
- Drehst du das Rad von Hand? Dann macht es kaum eine Umdrehung wegen des ganzen Widerstands
- Sie machen extrem viel Lärm
- Sie sind nicht wartbar – wenn etwas kaputtgeht, kannst du es nicht reparieren
Die Bremsen sind lebensgefährlich
- Durch das hubless-Design konnten sie keine Scheibenbremsen verwenden
- Stattdessen altmodische Felgenbremsen, die völlig unzureichend für ein 32 Kilo schweres E-Bike sind
- Mehrere Nutzer berichten, dass sie Angst haben zu bremsen
Das Ding fährt von selbst
- Wenn du das Fahrrad schiebst, drehen sich die Pedale durch die rückwärts drehende Radrotation
- Diese drehenden Pedale aktivieren den Tretlagersensor
- Dieser Sensor schaltet den Motor ein
- Dieser Motor treibt die Räder an
- Diese Räder drehen die Pedale…
- Ihr versteht das Problem
- Es gibt keine Möglichkeit, das auszuschalten, ohne den Akku herauszunehmen
Noch mehr…
- Der Ständer sieht cool aus, funktioniert aber überhaupt nicht
- Die gefederte Sattelstütze macht praktisch nichts
- Der Vorbau ist viel zu kurz (besonders für uns Deutsche, die gerne aufrecht fahren)
- Das Fahrrad ging nach einer kurzen Fahrt über eine Brücke kaputt
- Der Fingerabdrucksensor funktioniert nicht immer
- Manche Schrauben fehlen einfach
- Die App funktioniert schlecht
Und das Unternehmen? Verschwunden
Kurz nach dem Versenden dieser 150-188 Fahrräder verschwand das Unternehmen. Website? Offline. Social Media? Weg. Der Rest der Unterstützer (also mehr als 2.500 Menschen) steht mit leeren Händen da. Ihr Geld (durchschnittlich etwa 2.400 € pro Person) ist einfach weg.
Bei einigen gelieferten Fahrrädern war das Reevo-Logo sogar mit Klebeband überklebt. Als ob sie sich für das schämten, was sie gebaut hatten.
Also warum diese gefälschten Anzeigen jetzt?
Hier kommen die echten Betrüger ins Spiel. Sie nutzen aus:
- Das futuristische Aussehen – Das Reevo sieht auf Fotos und in Werbevideos großartig aus
- Die Bekanntheit – Dank des ganzen Aufsehens um das Scheitern ist das Fahrrad jetzt gerade extra bekannt
- Das verschwundene Unternehmen – Niemand verkauft dieses Fahrrad mehr legal, was es einfacher macht, gefälschte Angebote zu platzieren
- Vertrauenswürdige Markennamen – Durch die Verwendung des Lidl-Logos wirkt es legitim
Das Vorgehen ist einfach: Sie nehmen dein Geld für ein Produkt, das nicht existiert (oder das sie niemals liefern werden), und bis du merkst, dass du betrogen wurdest, sind sie längst verschwunden.
Die Ironie der Geschichte
Das Lustige (oder Traurige) ist, dass selbst wenn diese gefälschten Webshops dir tatsächlich ein Reevo schicken würden, du damit trotzdem nicht glücklich wärst. Du würdest buchstäblich ein gefährliches, unbrauchbares Fahrrad bekommen, das eher wie ein Kunstprojekt aussieht als ein Fortbewegungsmittel.
Seth Alvo brachte es perfekt auf den Punkt: „Ich denke nicht, dass sie versucht haben, Leute zu betrügen. Ich denke, sie dachten wirklich, dass das funktionieren und erfolgreich sein würde – obwohl es das schlechteste Fahrrad der Welt ist.“
Das ursprüngliche Unternehmen ist also durch Inkompetenz und Selbstüberschätzung gescheitert. Die aktuellen gefälschten Werber sind einfach gewöhnliche Betrüger, die dieses Scheitern ausnutzen.
Also, kein Reevo Hubless E-Bike bei Lidl…
Bestellt hier nichts. Auch nicht aus Neugierde. Auch nicht, weil ihr denkt „vielleicht ist es doch echt“. Es ist nicht echt.
Wenn ihr Interesse an einem E-Bike habt:
- Geht zu einem echten Fahrradladen
- Kauft bei bekannten Webshops mit guten Bewertungen
- Zahlt einen realistischen Preis (echte E-Bikes kosten mindestens 1.000 €, meist mehr)
- Überprüft immer die URL, bevor ihr etwas bestellt
- Sucht nach Bewertungen echter Nutzer
- Oder checkt natürlich unsere E-Bike-Datenbank
Zum Schluss
Es ist frustrierend, dass diese Betrüger einfach ihr Unwesen in sozialen Medien treiben können. TikTok, Facebook und Instagram sollten diese Anzeigen blockieren, aber in der Praxis schlüpfen sie immer wieder durch.
Also teilt diese Geschichte mit den Menschen in eurer Umgebung. Besonders mit Menschen, die nicht so technikaffin sind und die der Marke „Lidl“ vertrauen würden. Denn genau darauf setzen diese Betrüger.
Und denkt daran: Wenn etwas zu schön erscheint, um wahr zu sein, dann ist es das wahrscheinlich auch. Besonders wenn es um ein futuristisches E-Bike zum Preis einer Kinokarte geht.






